Panini - In mehr als 110 Ländern verkauft die italienische Firma Zweieinhalb Mrd. Fußballer-Pickerl! Das ist wie "Tempo" oder "Tesa" - Irgendwie sind alle Fußbalsticker "Panini"!
Im März 2008 liefen die Druckmaschinen im norditalienischen Modena noch im Dreischicht-Betrieb. Die Nachfrage, so hieß es, übersteige alles bisher Dagewesene - und die Firma Panini spricht aus Erfahrung:
1961 hat sie in ihren "Wundertüten" die erste Kollektion mit Fußballerbildchen auf den Markt gebracht; mit Klebealben die Sammelwut der Fans entfacht. Mehr als 20 Milliarden Abziehbilder allein mit Fußballern wurden seither produziert. Die italienische Post gar hat die 45jährige Erfolgsgeschichte der "figurine" oder der "fifi", wie die Pickerl in Italien heißen, 2008 zu einem Klebebild der besonderen Art verarbeitet: Sie vertrieb eine Jubiläumsbriefmarke.
Alles begann in einem Zeitungskiosk in der Domstraße von Modena. Er gehörte den Brüdern Giuseppe, Benito, Franco Cosimo und Umberto Panini, und ihnen fielen, von Berufs wegen, die damals üblichen Tütchen-Sammelbilder in die Hand. Diese, eine Erfindung aus Paris, gibt es seit 1867, meist in Verbindung mit Zigaretten oder sonstigen Tabakprodukten. Die Paninis beschlossen, sie mit jenem Sport zu füllen, der in Italien als der einzig wahre gilt: mit Fußball. Der erste Kicker, der zu Panini-Ehren kam, war Bruno Bolchi, Kapitän von Inter Mailand: schwarzweiß. Dann fanden die Paninis einen Fototechniker, der ihnen die Konterfeis kolorierte. Ende der 60er Jahre machten sie den Fans das Klebeleben leichter, indem sie die Kartonbilder gleich mit Fotoecken lieferten.
1970, zur WM in Mexiko, traten sie erstmals international an, und 1974, gleich auf Anhieb, verkauften sie in Deutschland drei Millionen Bilderpackerln. Neben Fußballern druckten und drucken sie alles Verkaufbare: Mickey Maus und Donald Duck, Tiere, Flugzeuge, Barbie, Schlümpfe, Pokémon, Harry Potter und den König der Löwen.
Aber wie sollte man die verschiedenen Sammelmotive gleichmäßig auf die Packerl aufteilen? Anfangs lösten die Brüder Panini das Problem eher landwirtschaftlich: Sie verstreuten alle Bildchen auf einer Art Tenne, dann kamen Arbeiter mit Schaufeln und warfen das "Dreschgut" so lange gegen die Wand, bis eine gleichmäßige Vermischung angenommen werden konnte.
Mathematisch exakt wurden die Sticker erst mit der "Fifimatic" verpackt: Einer Erfindung von Umberto Panini, die garantieren soll, dass in keinem Packerl ein doppelter Spieler vorkommt, und dass in den einzelnen Aufstellkartons beim Händler auch alle 596 Motive des aktuellen WM-Albums vorhanden sind. Passionierte Sammler (exkl. meiner Wenigkeit) glauben bis heute nicht an diese "Exaktheit", aber Panini besteht darauf: Alle Bilder würden in gleicher Zahl gedruckt, ohne Ansehen der Person gestreut. Und wenn der deutsche Nationalspieler David Odonkor gar nicht in die Sackerl komme, liege das an den überraschenden Einfällen von Teamchef Jürgen Klinsmann.
1988 war den Panini-Brüdern ihr Erfolg so über den Kopf gewachsen, dass sie das Stickergeschäft bereits an Amerikaner verkauften. Es kam zu Turbulenzen, elf Jahre später holten die Italiener ihr Paradeunternehmen in einer Art nationaler Rettungsaktion zurück.
Seither gehörte die Panini Spa mit ihren 640 Beschäftigten (bis 2009) zur Gänze dem Industriellen Vittorio Merloni, der ansonsten Haushalts- und Küchengeräte produziert. 400 Mill. Euro Umsatz, Tendenz leicht fallend, haben die Pickerl 2005 gebracht. Im WM-Jahr 2006 erwartet Firmenchef Arrigo Beltrami eine Zunahme um 25 bis 30 Prozent: Schon allein deswegen, weil die WM in Europa stattfinde, wo Paninis Hauptmärkte lägen: Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien.
Für die Rechte an den Bildern gebe man "einige Mill. Euro" aus. Manchmal verhandle man mit Spielern oder Verbänden auch vergeblich um eine Druckgenehmigung. Die Frage nach den Unternehmensgewinnen lässt Beltrami nobel unbeantwortet. Die Gründerfamilie Panini indes - von den vier Brüdern sind noch zwei am Leben - gehört heute zu den größten Comic- und Kinderbuchproduzenten Europas.
Voll eingeschlagen hat auch die neueste Geschäftsidee aus dem Pickerl-Imperium: übers Internet kann sich jeder in seinem Lieblingstrikot drucken lassen. Original Panini-Sticker. Mit Zertifikat. "Läuft sehr erfolgreich", sagt Direktor Beltrami: "Wir haben schon mehr als zehntausend Kunden."
Leider kam 2009 für die Bundesliga-Sticker das Aus: Der amerikanische "Groß-Pickerlhersteller" Topps erinnerte sich vermutlich daran, dass man Panini ja bereits 1988 haben wollte und konnte einfach mehr für die Bildrechte bezahlen (die zwischenzeitlich preislich explodierten) als die Italiener...
Eine persönliche Einladung nach Modena zu Panini konnte ich leider bisher noch nicht annehmen - ich hoffe auf nach "Corona"!
Interview von mir aus dem Jahre 2011 mit dem "Spiegel" zum Thema "50 Jahre Panini-Alben" - *Anmerkung: Den letzten Absatz über "Frauenfußball" würde ich heute defintiv NICHT mehr so stehen lassen(!):
https://www.spiegel.de/geschichte/50-jahre-panini-alben-a-949390.html
Videoclip: Interview mit "SKY" zum Thema "Panini-Alben" aus dem Jahre 2020:
https://www.facebook.com/raimund.simmet.7/videos/278082631048835